德文参考答案 | “可以击落被劫飞机吗?”

文摘   2024-09-30 07:50   河南  
Luftsicherheitsgesetz (vgl. BVerfGE 115, 118)



Lösungsskizze

Die Verfassungsbeschwerde des P hat Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit

I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG

· Zuständigkeit nur für durch das Grundgesetz zugewiesene Aufgaben (Enumerativprin- zip)

· Ergibt sich für Verfassungsbeschwerden aus Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG.


II. Beschwerde und Prozessfähigkeit, Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG

1. Beschwerdefähigkeit

· Beschwerdefähigkeit: jedermann = jede*r Träger*in von Grundrechten oder grundrechts- gleichen Rechten (jede grundrechtsfähige bzw. grundrechtsberechtigte Person)

· Hier:

P als natürliche Person Träger von Grundrechten

Beschwerdefähigkeit (+)

2. Prozessfähigkeit

· Prozessfähigkeit: Fähigkeit, selbst oder durch selbst bestimmte Bevollmächtigte Prozess- handlungen vorzunehmen

· Hier:

P kann als natürliche Person selbst Prozesshandlungen vornehmen

Prozessfähigkeit (+)


III. Beschwerdegegenstand, Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG

· Beschwerdegegenstand = jeder Akt öffentlicher Gewalt (Akte der Exekutive, Legislative und Judikative)

· Hier: § 14 III LuftSiG als Akt der Legislative des Bundes


IV. Beschwerdebefugnis, Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG

· Beschwerdebefugnis = plausible Geltendmachung der Verletzung in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten

1. Möglichkeit der Grundrechtsverletzung

· Möglichkeit der Grundrechtsverletzung = nach Vortrag der Beschwerdeführer*in darf Verletzung in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht von vornherein aus- geschlossen sein

· Hier: Rüge der Verletzung von Art. 1 I GG sowie Art. 2 II 1 GG

Art. 1 I GG

§ Art. 1 I GG schützt die Menschenwürde

§ § 14IIILuftSiGnimmtTodunbeteiligterFlugzeuginsass*innenalsMittelzurRettungandererMenscheninKauf:HerabwürdigungdieserPersonen denkbar

Art. 2 II 1 GG

§ Art. 2 II 1 GG schützt Leben einer Person

§ § 14 III LuftSiG billigt Abschuss von Passagierflugzeugen

§ Absturz infolge Abschuss führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod der Insass*innen

Verletzung sowohl von Art. 1 I GG als auch Art. 2 II 1 GG erscheint möglich


2. Eigene und gegenwärtige Beschwer

· Eigene undgegenwärtigeBeschwer=DarlegungderBeschwerdeführer*in,dasssiemiteinigerWahrscheinlichkeitdurchdieaufdenangegriffenenVorschriftenberuhendenMaßnahmeninihren Grundrechtenschonodernochberührtwird(vgl.BVerfGE115,118, 137)

· Hier:

P.: Wahrscheinlichkeit, dass er durch Flugzeugabschuss zu Schaden kommt

§ (+) als Flugbegleiter regelmäßig in zivilen Luftfahrzeugen unterwegs

§ (-) Wahrscheinlichkeit eines „besonders schweren Unglücksfalls“ äußerstgering

§ (+) Bestimmung der zur eigenen Grundrechtsbetroffenheit erforderlichen Wahrscheinlichkeit kann nur relativ zur Schwere und Irreversibilität des in Rede stehenden Eingriffs bestimmt werden: schwerste Form der Grundrechtsbeeinträchtigung + Irreversibilität im Todesfall

Eigene, gegenwärtige Beschwer (+)


3. Unmittelbare Beschwer

· Unmittelbare Beschwer=wennangegriffeneBestimmungenkeinesweiterenVollzugs-aktes bedürfen, um die Rechtsstellung der Beschwerdeführenden zu verändern bzw.wenndieBeschwerdeführer*ingegeneinendenkbarenVollzugsaktnichtodernichtinzumutbarerWeisevorgehen kann

· Hier:

P.: Veränderung der Rechtsstellung des Beschwerdeführenden erst durch Ab- schussbefehl aufgrund von § 14 III LuftSiG möglich

§ Wenn Abschuss tatsächlich zum Tod des Beschwerdeführenden führt, kann dieser gegen Vollzugsakt nicht mehr (selbst) vorgehen

§ Irreversibilität des menschlichen Lebens lässt zudem keine Abhilfe zu

§ Unzumutbarkeit des Abwartens einer Maßnahme aufgrund von § 14 III LuftSiG

unmittelbare Beschwer (+)


4. Zwischenergebnis

· Beschwerdebefugnis (+)


V. Besonderes Rechtsschutzbedürfnis: Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität

1. Rechtswegerschöpfung, § 90 II 1 BVerfGG

· Erschöpfung des Rechtsweges = Beschwerdeführer*in muss alle prozessualen Möglich- keiten zur Beseitigung der behaupteten Grundrechtsverletzung in Anspruch genommen haben

· Hier:

Rechtsweg gegen formelles Gesetz steht nicht offen

Rechtswegerschöpfung hat dann grundsätzlich keine Bedeutung


2. Subsidiarität

· Subsidiarität = vorherige Ausschöpfung aller Möglichkeiten, gerichtlichen Rechtsschutz mittelbar oder außergerichtlichen Rechtsschutz zu erhalten

· Hier:

Für Pnichtzumutbar,Opfer einerMaßnahmenach§14IIILuftSiGzuwerden,umbeiAngriffdieserMaßnahmeinzidentdieRechtsgrundlageüberprüfenzu lassen

Keine anderweitigen Möglichkeiten, Rechtsschutz zu erhalten, denkbar


VI. Form und Frist, §§ 23 I, 93 BVerfGG

· Laut Sachverhalt form- und fristwahrend


VII. Zwischenergebnis

· Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (+)


B. Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde des P ist begründet, wenn auch tatsächlich eine Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte vorliegt.


I. Recht auf Leben, Art. 2 II 1 GG

Zunächst könnte ein Verstoß gegen das Recht auf Leben des B aus Art. 2 II 1 GG vorliegen. Dies istdannderFall,wenndurchdiegesetzlicheRegelungindenSchutzbereicheingegriffenwurde,ohnedassesdafüreineverfassungsrechtlicheRechtfertigung gibt.

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

· „Jeder“ = Jedermann = jede* Träger*in von Grundrechten

· Hier: P als natürliche Person Grundrechtsträger

b) Sachlicher Schutzbereich

· Recht auf Leben = Schutz der biologisch-physischen Existenz jedes Menschen vom Zeit- punktihresEntstehensbiszumEintrittdesTodesunabhängigvondenLebensumstän-den der Einzelnen sowie ihrer körperlichen und seelischen Befindlichkeiten vor staatli-chenEingriffen;jedesmenschlicheLebenalssolchesistgleichviel wert

· Hier:

Tod infolge des Abschusses eines zivilen Luftfahrzeuges als Auslöschen der biolo- gisch-physischen Existenz des P

Sachlicher Schutzbereich (+)


2. Eingriff

· Klassischer Eingriff=finalesstaatlichesHandelninFormeinesRechtsakts,dermitBefehlundZwangdurchsetzbaristundunmittelbardasgrundrechtlichgeschützteVerhalten beeinträchtigt

· hier:

Abschussbefehl als finales staatliches Handeln

Abschuss führt fast immer zum Absturz und dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tod der Besatzungsmitglieder und der Passagier*innen, sodass grundrechtlich geschütztes Recht auf Leben unwiederbringlich verletzt ist

Eingriff (+)


3. Rechtfertigung

a) Einschränkbarkeit des Art. 2 II 1 GG

· Art. 2 II 1 GG nicht schrankenlos gewährleistet, einschränkbar auf Grund eines Gesetzes, vgl. Art. 2 II 3 GG (einfacher Gesetzesvorbehalt)

· hier:

§ 14 III LuftSiG als formelles Parlamentsgesetz

Schrankenvorbehalt (+)

b) Verfassungsmäßigkeit des § 14 III LuftSiG

(1) Formelle Verfassungsmäßigkeit

(a) Zuständigkeit

· Laut Sachverhalt kompetenzgerecht erlassen

(b) Gesetzgebungsverfahren

· Laut Sachverhalt im ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren erlassen

(c) Zwischenergebnis

· Formelle Verfassungsmäßigkeit des § 14 III LuftSiG

(2) Materielle Verfassungsmäßigkeit

(a) Bestimmtheitsgebot, Art. 20 III, 28 I GG

· P.: Ist§14IIILuftSiGinsoweitbestimmtgenug,alsdassdieRechtslageund-folgener-kennbarsind?(-)dieFormulierung„wennnachdenUmständendavonauszugehenist“isteher schwammigund unbestimmt

aber: BeachtungderPrognosequalitätderEntscheidungaufgrundderEigenartderzuregelndenFrageàvordiesemHintergrundscheint§14IIILuftSiGnichtzu unbestimmt

(b) Wesensgehaltsgarantie des Art. 2 II 1 GG, Art. 19 II GG

· P.: FolgtausArt.19IIGGeingenerellesstaatlichesTötungsverbot?(-)GesetzesvorbehaltdesArt.2II3 GG

(-) AntastungdesWesensgehaltsvonArt.2II1GGnurdanndenkbar,wennge-zielteTötungenallgemeinzulässigseinsollenunddamitdasLebensrechtnichtmehrgesichertwerden kann

· Hier:

§ 14IIILuftSiGermächtigtnurimäußerstenNotfallundkeineswegsimNormal-fallzumAbschusseines Luftfahrzeuges

Wesensgehaltsgarantie des Art. 2 II 1 GG gewahrt

(c) Übermaßverbot/Verhältnismäßigkeit

(i) Legitimes Ziel

· Hier:

Verhinderung des Einsatzes eines Luftfahrzeuges als Waffe gegen das Leben von Menschen

Staatliche Schutzpflicht zu Gunsten des menschlichen Lebens als besonders hohes Gutgebietetes„demStaatundseinenOrganen,sichschützendundförderndvordasLebenjedesEinzelnenzustellen;dasheißtvorallem,esauchvorrechts-widrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren“ (vgl. BVerfGE 115,118, 152)

Legitimes Ziel (+)

(ii) Geeignetheit (+)

(iii) Erforderlichkeit

· Hier:

Mildere Mittel: Androhung von Waffengewalt, Abdrängen des Luftfahrzeuges

Anwendung vonWaffengewaltnuralsultimaratio,wennkeinmilderesMittelzurFörderungdeslegitimenZielsmehrverfügbar ist

Erforderlichkeit (+)(iv) Angemessenheit/Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

· Interessenabwägung zwischen den nachteiligen Folgen für das beeinträchtigte Grund- recht und den positiven Folgen für das mit der staatlichen Maßnahme verfolgte legitime Ziel:

Benennung der widerstreitenden Interessen

Abstrakte Gewichtung der einzelnen Interessen

Konkrete Gewichtung der Interessen im Einzelfall

· Hier:

Widerstreitende Interessen: Recht auf Leben und Menschenwürde der Passagier* innen und Besatzungsmitglieder eines Luftfahrzeuges auf der einen, Recht auf Leben der durch einen besonders schweren Unglücksfall bedrohten Menschen auf der anderen Seite

Abstrakte Gewichtung: Recht auf Leben von besonders herausgehobener Bedeu- tung; staatliche Schutzpflicht bezüglich des menschlichen Lebens; Art. 2 II 1 GG auf beiden Seiten

Konkrete Gewichtung:

§ P.: Quantifizierte Abwägung „Leben gegen Leben“?

· Sinn und Zweck des § 14 III LuftSiG: Schutz der Menschen, denen am geplanten Absturzort eines entführten Flugzeuges der Tod droht

· Abschuss eines Flugzeuges, das kurze Zeit später sowieso abstür- zen soll, würde Lebensspanne der Passagier*innen und Besat- zungsmitglieder sowie der Entführer*innen nur gering verkürzen

· Vervielfachung der zu erwartenden Opferzahl könnte verhindert werden: quantifizierte Abwägung Leben gegen Leben

· Quantifizierte Abwägung könnte jedoch gegen Ausstrahlungs- wirkung der Menschenwürde verstoßen

§ P.: Ausstrahlungswirkung der Menschenwürdegarantie, Art. 1 I GG

· Enge VerbindungzwischenLebensrechtdesArt.2II1GGundMen-schenwürdegarantie des Art. 1 I GG: „Menschliches Leben als vi- taleBasisderMenschenwürdealstragendesKonstitutionsprinzipundobersterVerfassungswert“(vgl.BVerfGE115,118,152 ff.)

· „Dem StaatistesimHinblickaufdiesesVerhältnisvonLebens-recht und Menschenwürde seinerseits untersagt, durch eigeneMaßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtungder menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugrei-fen.Andererseitsisterauchgehalten,jedesmenschlicheLebenzuschützen“(vgl.BVerfGE115,118,152 ff.)

· „Schlechthin verbotenistdamitjedeBehandlungdesMenschendurch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinenStatus als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt, indem sie dieAchtungdesWertesvermissenlässt,derjedemMenschenumseiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt.“ (vgl.BVerfGE115,118,152 ff.)

· Die Passagier*innen und Besatzungsmitglieder „werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, ver-dinglichtundzugleichentrechtlicht;indemüberihrLebenvonStaatswegeneinseitigverfügtwird,wirddenalsOpfernselbstschutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der demMenschenumseinerselbstwillenzukommt.“(vgl.BVerfGE115,118, 154)

§ P.: Kollision staatlicher Unterlassungs- und Schutzpflichten

· Kollision der durch die Menschenwürde gebotenen Pflicht zur Un- terlassung eines Eingriffs (Abschuss eines Luftfahrzeuges) mit ei- ner Schutzpflicht (gegenüber den Personen, die mit dem entführ- ten Luftfahrzeug angegriffen werden sollen)?

· Grundsatz: weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungs- bereich der Legislativen bei der Erfüllung von Schutzpflichten

· Aber: Auswahl der Mittel zur Schutzpflichtenerfüllung muss im Einklang mit der Verfassung stehen

· Hier: keine Gleichwertigkeit der Pflichten, die der Legislative ei- nen wirklichen Entscheidungsspielraum eröffnen würden

§ Wegen Betroffenheit des Menschenwürdekerns höhere Gewichtung des Rechts auf Leben der Passagier*innen und Besatzungsmitglieder von Luft- fahrzeugen

§ Interessenabwägung zugunsten der Interessen des P

(v) Zwischenergebnis

· Verhältnismäßigkeit (-)

(d) Zwischenergebnis

· Materielle Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG (+)

(3) Zwischenergebnis

· Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG (+)

c) Zwischenergebnis

· Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 2 II 1 GG (-)

4. Zwischenergebnis

· Verletzung des Menschenwürdekerns von Art. 2 II 1 GG (+)


II. Menschenwürde, Art. 1 I GG

· gleichzeitig Verletzung der Menschenwürde (+)


III. Zwischenergebnis

· Verfassungsbeschwerde begründet (+)


C. Gesamtergebnis

Die Verfassungsbeschwerde des P hat Erfolg.










END



法学教书匠的日常
严肃外表下,有一颗严肃的心~
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